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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 28.10.2008
Aktenzeichen: 5 B 1183/08
Rechtsgebiete: PresseG NRW, GG
Vorschriften:
PresseG NRW § 4 Abs. 1 | |
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2 |
Tatbestand:
Der Antragsteller ist Journalist. Er verlangte von der Antragsgegnerin, der Deutschen Telekom AG, auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 PresseG NRW die Erteilung von Auskünften. Sein hierauf gerichteter Antrag auf Erlass eines einstweiligen Anordnung blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.
Gründe:
Die Beschwerde ist unbegründet. Das VG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu Recht mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht; nach summarischer Prüfung stehe ihm der begehrte und ausschließlich auf § 4 Abs. 1 Landespressegesetz NRW (PresseG NRW) gestützte Auskunftsanspruch schon deshalb nicht zu, weil die Antragsgegnerin keine Behörde im Sinne des Presserechts sei. Diese Annahme des VG wird durch das Beschwerdevorbringen nicht erschüttert.
§ 4 Abs. 1 PresseG NRW verpflichtet die Behörden, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Bei der Auslegung des presserechtlichen Behördenbegriffs ist die objektiv-rechtliche Wertentscheidung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu berücksichtigen. Danach ist der Staat verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.8.2000 - 1 BvR 1307/91 -, NJW 2001, 503 f.; OVG NRW, Beschluss vom 19.2. 2004 - 5 A 640/02 -, OVGE 50, 32.
Ausgehend davon ist der Behördenbegriff des Presserechts nicht organisatorisch-verwaltungstechnisch, sondern funktionell-teleologisch zu verstehen. Um der Presse zu ermöglichen, die ihr verfassungsrechtlich garantierte Funktion der Berichterstattung auch über Vorgänge im staatlichen Bereich zu erfüllen, sind von diesem Behördenbegriff auch juristische Personen des Privatrechts erfasst, deren sich die öffentliche Hand zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient und die von dieser beherrscht werden.
Vgl. BGH, Urteil vom 10.2. 2005 - III ZR 294/04 -, NJW 2005, 1720; OVG Saarl., Urteil vom 1.4.1998 - 8 R 27/96 -, AfP 1998, 426.
Dies zugrunde gelegt kann die Antragsgegnerin nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen summarischer Prüfung nicht als Behörde im presserechtlichen Sinne angesehen werden. Die öffentliche Hand bedient sich der Antragsgegnerin bereits nicht zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Seit der Liberalisierung des Post- und Telekommunikationsmarkts durch die Postreform II von 1994 werden Dienstleistungen in diesen Bereichen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht (Art. 87 f Abs. 2 GG). Damit hat sich der Staat von der Erfüllung der ursprünglich aus der Daseinsvorsorge entstandenen Aufgaben der Leistungserbringung zurückgezogen und nicht lediglich eine private Rechtsform für staatliches Handeln gewählt. Die verbliebenen staatlichen Kompetenzen umfassen keinesfalls das verwaltungsmäßige Erbringen von Post- oder Telekommunikationsdienstleistungen. Ihre Wahrnehmung als Verwaltungsaufgabe - sei es in öffentlich-rechtlicher, sei es in privatrechtlicher Organisationsform - ist unzulässig.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.10.2003 - 1 BvR 1712/01 -, BVerfGE 108, 370, 393 f., Urteil vom 15.7.2003 - 2 BvF 6/98 -, BVerfGE 108, 169, 183; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. II, 2. Aufl. 2008, Art. 87 f Rn. 23; Windhorst, in: Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 87 f Rn. 22, 27 ff.; Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 12/7269, S. 4, sowie Ausschussempfehlung und Bericht, BT-Drs. 12/8108, S. 3 u. 6.
Allein die Einflussmöglichkeiten, die der Bund durch seine Minderheitsbeteiligung an der Antragsgegnerin auch deshalb hat, weil er aufgrund der durchschnittlichen Hauptversammlungspräsenz über eine sichere Hauptversammlungsmehrheit verfügt, machen Telekommunikationsdienstleistungen nicht zu einer öffentlichen Daseinsvorsorgeaufgabe des Bundes. Vielmehr werden diese Aufgaben entsprechend der Intention der Postreform II im Rahmen eines offenen Wettbewerbs aller Telekommunikationsanbieter "privatwirtschaftlich" erbracht.
Wegen der Minderheitsbeteiligung des Bundes fehlt es darüber hinaus an dem für die Behördeneigenschaft erforderlichen beherrschenden Einfluss der öffentlichen Hand auf die Antragsgegnerin. Hierfür wäre erforderlich, dass die Anteile direkt oder mittelbar überwiegend von der öffentlichen Hand gehalten werden.
Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Aufl. 2005, 19. Kap. Rn. 10; Wenzel, in: Löffler, Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 4 LPG Rn. 57; i. E. wohl ebenso Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Aufl. 2006, § 4 LPG Rn. 57.
Darüber hinaus ist ein beherrschender Einfluss des Bundes auf die Antragsgegnerin schon durch § 3 Abs. 1 und 4 des Postneuordnungsgesetzes vom 14.9.1994 (BGBl. I S. 2325) ausgeschlossen.
Vgl. Wieland, a.a.O.
Von dem Umstand, in welchem Umfang Anteilseigner bislang tatsächlich an Hauptversammlungen teilgenommen haben, kann die Beurteilung eines beherrschenden Einflusses nicht abhängen.
Ende der Entscheidung
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